Mein Coach ist gestorben. Er war kein Business-Coach oder dergleichen. Max war Profiboxer, Maler, Bildhauer, Autor und Musiker.
Jeder, gegen den du kämpfst ist nicht dein Feind und jeder der dir hilft, ist nicht dein Freund. Mike Tyson
Freundschaft & Werte
Vor allem war er ein Freund. Wer zu seinem Kreis zählte, durfte sich glücklich schätzen. Wie René Weller.
Als der neunmalige deutsche Meister pleite im Gefängnis saß, schrieb Max ein Buch mit ihm.
"In solche Lebenslagen brauchst du Freunde und keine Richter - die hatte er schon"
Urteile und verurteile nicht. Das ist nicht unsere Aufgabe. Wir stehen uns zur Seite, wenn es im Leben schief läuft. Freunde mit gleicher Gesinnung haben nicht die gleiche Meinung, sondern die gleichen Prinzipien. Sätze die prägen.
Blut, Schweiß & Tränen
Philanthrop, Vater, hoffnungsloser Romantiker und Veganer als es noch nicht Trend war. Wir haben zusammen gelacht, geweint und uns gegenseitig auf die Fresse gehauen. Dazwischen gab es Gespräche. Auch die gingen in die Tiefe und waren schmerzhaft. Über das Leben - Geschichten, wie sie vielleicht nur die wenigsten kennen.
"Freunde können über (fast) alles reden“.
Das sah er wie Kant. Klar, wenn man aus gleichem Holz ist. Max studierte Theologie, Biologie, Philosophie und Psychologie. Wir konnten über alles reden. Wir verstanden, wertschätzten, vertrauten uns.
"Wenn ich einen Fehler gemacht habe und es doch weiß, brauche ich nicht Leute um mich herum, die mich dafür erneut verurteilen und mir dann sagen wie sie es besser gemacht hätten"
Max predigte und richtete nicht - er hörte zu, fühlte mit, gab Trost und Halt. Durch und durch Mensch, vielschichtig und ambivalent: gütig, bescheiden, diszipliniert, hart und weich zugleich. Viele konnten sich in ihm wiederfinden. Ich konnte es ein Stück. Seine sensible Art die Dinge und die Welt zu betrachten, war mir vertraut und doch so neu.
Er war einer der mehr gab als er nahm und es war ihm egal - immer. Er hat sich nie beschwert und das Leben so genommen wie er es gemacht hat. Er wirkte wie ein Träumer, war aber Realist. Er hat sich so akzeptiert wie er ist und wie das Leben ihn gezeichnet hat - mit Narben und Wunden.
Eigenartig, sonderbar, seltsam, befremdlich. Es gab viele Beschreibungen für Max. Faszinierend war er allemal. Nicht unbedingt im Sinne von Charisma, sondern im Sinne von Ecken & Kannten.
Einer vom alten Schlag, aber nicht verschlossen. Er empfängt dich mit offenen Armen und spricht aus dem Herzen. Er zeigte sich so verwundbar, und zugleich war er unnahbar.
Zweifelsohne ein ungewöhnlicher Charakter, ein besonderer Typ und einer der interessantesten Menschen die ich je kennenlernen durfte.
Bekannt war Max Herfert in der Szene deutschlandweit - man kannte ihn auch hier in Hamburg. Da wo eben solche Menschen zu finden sind. Wer ihn nicht mochte, hat ihn zumindest respektiert. Er hat gezeigt, dass Träume zu Ziele werden können. Das es nicht nur einen Weg gibt. Das Talent mehr als ein Geschenk sind.
Nie zu spät für Verantwortung
Max hatte erst mit Dreißig mit den Boxen angefangen und war dann insgesamt viermal württembergischer Vizemeister im Schwergewicht.
Er war Sparringspartner von Markus Bott und Alexander Künzler. Er boxte gegen seine Freunde Bernd Friedrich, Ebby Thust, Bob Steele und viele andere. Ich galt als großes Talent, war Sparringspartner von Süddeutschen Meistern & Boxern der Bundesliga. Mit einer Sonderschulempfehlung musste ich mich auch beruflich über den dritten und vierten Bildungsweg nach oben kämpfen. Uns verband Fairness, Disziplin, Wille und der Glaube an sich selbst.
1996 gründete Max seine eigene Boxschule in einer Fabrikhalle in Reutlingen. Ich hatte das Glück mit ihm gemeinsam zwei Jahre lang Jugendliche aus sozial benachteiligten Verhältnissen zu trainieren und in die Spur zu kriegen.
Boxen hat hat auch mein Leben verändert. Es war die Zeit nach meinem Studium. Wenn ich gefragt werde, auf welches Projekt ich am meisten stolz bin, ist es das!
Max hat sich dabei wenig in den Vordergrund gedrängt und dieses Gym nie an die große Glocke gehängt. So als wäre er frei vom Ego. Sich verkaufen, war nicht seine Welt. Das war nicht immer so. Wer seine Vergangenheit kennt, kennt andere Seiten von ihm. Max hat eben gelebt und er hat lieber "gemacht". Er hat Taten sprechen und diese durch andere weitertragen lassen.
So wurde aus dem Box-Projekt eins, dass vom Bundesministerium gefördert wurde, und für sein gesamtes künstlerisches und soziales Wirken bekam Max Herfert die Ehrenmedaille der Stadt Reutlingen. Für ihn alles ohne Bedeutung. All das Spenden- und Fördergeld floß ins Boxgym um anderen zu helfen, denen es seiner Auffassung nach schlechter geht.
"Mir geht es gut. Ich habe alles was ich brauche. Wenn ich Bock habe, schreibe ich Gedichte, ein Buch, oder mache Kunst und Musik."
"Eine Frau die ich liebe, mein unberührter Garten, der Hund. Die Kinder sind auch gut, so wie sie sind - sie haben mir ein paar tolle Enkel geschenkt. Da ist dann noch die Band mit meinen Kumpels und der Musikladen". Das war seine Philosophie - Ein Leben ganz bei sich. Er lebte sehr bescheiden, fast ärmlich und irgendwie hatte es was religiöses. Für ihn spielte Gott aber keine Rolle. Er sah sich als Teil der Natur, als Teil des Universums: grenzenlos, verwundbar und gewaltig.
Bei Acht, steh wieder auf!
Als ich gerade meinen Job verlor, mit zwei kleinen Töchtern und einer gekündigten Wohnung, zitierte er Mike Tyson:
"People love you when you're successful, but if you're not, who really cares about you?"
Und weiter mit sanfter Stimme meinte er zu mir:
"Wenn der Ringrichter dich anzählt, hast du nicht gleich verloren - nimm dir Zeit zum durchatmen & klarkommen, aber bei 8 stehst du wieder auf, sonst ist der Kampf beendet."
Ich stand und gekämpft weiter, doch vor allem habe ich eins gelernt. Rückschläge anders zu bewerten und sich Zeit für eine neue Strategie zu nehmen.
Rest In Peace
Mit 69 Jahren bist du am 29. September 2022 gestorben. Maximilian Holger Berthold Herfert, es war mir eine Ehre - ruhe in Frieden mein Freund, ich vermisse dich...
Fotos: Alena & Boris May
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